Got to Quote…. ääh Dance

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(c)instagram/majidk

Sie hat mich zum Lachen gebracht – und auch ein bisschen zum Weinen. Got to Dance kann so einiges. Contemporary, urban, allein, zu zweit oder zu zwanzigst. Die Teilnehmer haben eine unglaubliche Bandbreite gezeigt. Ich habe es gefeiert. Endlich tanzen und nur tanzen im Fernsehen – und das auch noch ohne Detlef D! Soost. Strike. Das unglaubliche Sahnehäubchen: Majid Kessab – ein Freestyletänzer – gewinnt. Crazy!!! Mit Freestyle an die Spitze und die ganze Szene ist aus dem Häuschen. 100.000 Euro gab’s zu gewinnen – ohne irgendeinen blöden Vertrag. Den brauch eh keiner und Majid kommt sowieso beneidenswert gut rum in der Welt.

Wer allerdings die Tänzerszene kennt bzw. ein paar von ihnen als Freunde bei Facebook um sich geschart hat, der wird auch Beschwerden mitbekommen haben. Kritik und Zweifel an der Sendung, der Jury und ihren Entscheidungen machen sich breit und haben auch ihre Berechtigung.

Got to Dance lief jetzt in der zweiten Staffel und obwohl viele das Format bezweifeln, haben sich dieses Mal superviele Freestyletänzer und überhaupt eine Menge Berliner auf den Weg zum Casting gemacht: Arman (Popping), B-Town Allstars (B-Boy Crew), Fothamockaz (Locking Crew), Fanatix (New Style/Twerking/MJ), Afro Flavor (Afrodancehall), House of Melody (Voguing) usw. Auch aus NRW haben sich mit Flockey (Locking), Two Face (Popping), Two Abstract (Franky Dee und Rayboom) und Gewinner Majid (Hip Hop) dieses Mal ein ganzer Sack voll Vertreter der Freestyleszene gezeigt.

Kein Wort zur Auswahl der Battles

Sie alle haben eine extrem gute Figur gemacht und einen wichtigen urban Flavour in die Sendung gebracht. Alle bekamen drei goldene Sterne, aber in den Battles fehlten plötzlich einige Acts. Ohne ein Wort zur Selektion schloss sich an die letzte Audition die erste Battle-Folge an – und von vielen, die wir grad noch gefeiert haben, ist jetzt keine Spur mehr. Kann mir mal bitte einer sagen, wie die Battles ausgewählt wurden? Sind die Afroflavour-Mädels rausgeflogen, weil Deutschland noch keine schwarze Frauenpower händeln kann? Waren die Hamburger Jungs in den High Heels doch zu queer für unsere einfältige Gesellschaft? Ihnen wurde wie vielen anderen nach eigenen Angaben ohne weitere Erklärung einfach per Mail von Got to Dance abgesagt.

Schon vor den Battles trennte sich die Spreu vom Weizen: Alles, was zu langweilig ist, fliegt und alles, was zu nischig ist, auch. Verständlich, aber traurig. Diese Castingshow hatte einfach zu viele talentierte Teilnehmer und zu wenig Sendezeit. Da muss ausgesiebt werden, wie in ähnlichen Formaten auch. Und da die Quote stimmen muss, mussten wohl alle grad erwähnten fliegen. Sensationalismus, aber eben nicht zu krass. Hätten sie wenigstens eine scheinheilige Erklärung gefunden, wär ich schon glücklicher. Aber kein Wort zur Auswahl? Alles heimlich im Produzentenhinterzimmer überlegt? Im Sinne der Quote? So muss es sein, oder nicht?

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Immerhin war die semi-kompetente Jury aus Nikeata (kompetent), Palina Rojinski (semi-kompetent) und Howard Donald (semi-kompetent) ein süßes, unterhaltsames Trio – nur eben nicht 100 pro kompetent. Zum Glück konnte oder musste sich Nikeata am meisten profilieren: regelmäßige Umarmungen, Gefühlsausbrüche während der Performances und kleine Jams mit dem Kandidaten. Manchem war das laut Kommentaren bei den sozialen Medien zu viel, ich fand sie erfrischend unkonventionell und echt (wie die andern beiden auch). Sowas braucht das deutsche Fernsehen, das manchmal einen zu großen Stock im Arsch hat. And again für den Hinterkopf und alle Hater: Wir haben keine Ahnung, wie viel von dieser Show echt ist und wie viel von den Produzenten diktiert.

Einmalige Plattform für den Tanz

Und genau daran hapert das Konzept. Für Tänzer ist ihre Kunst etwas Authentisches, etwas Rohes, etwas, das eine Geschichte erzählt, das Menschen berühren soll. Tanzen soll keinem etwas diktieren oder keinem Privatsender der Welt irgendeine Quote bringen (die war übrigens immer eher schlecht) und dann verpuffen. Ich habe von Freunden von Fred (1. Staffel) gehört, dass Got to Dance ihm vor seinem Battle andere Musik gegeben hat. Wie soll man denn so authentisch sein und sein Können perfekt in Szene setzen? Deshalb war er im Vergleich zum Casting sicher auch so schwach auf der Bühne.

Ein Karriereschub kann es trotzdem sein bzw. neue Arten von Aufträge bringen. Und dass ein großer Privatsender den Mumm hat, eine reine Tanzshow (ohne peinliche C-Promis) an den Start zu bringen, spricht auch für ProSieben/Sat.1.

Ich freu mich, dass dem Tanz so eine einmalige Plattform gegeben wird. Denn es wird Zeit, dass nicht nur Musizieren und Schauspielern so viel Prestige abbekommen. Das Tänzerleben ist vergänglicher und ein Tänzer arbeitet mindestens genauso hart für seine Leidenschaft wie ein Sänger oder Schauspieler. Die Gehälter sind im Vergleich aber oft ein Witz. Die Zuschauer werden jetzt auf jeden Fall mehr Respekt vor der Arbeit von Tänzern haben. Und großartigerweise hat Urban Freestyle sie am meisten beeindruckt. Ich wiederhole gerne noch einmal: MAJID HAT GEWONNEN! Und trotz aller Pros und Cons, kann Freestyle-Deutschland mit diesem Ergebnis nur zufrieden sein.

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Ich werde ein so kommerzielles Konzept nie so sehr unterstützen wie Underground-Projekte wie das Fusion Concept Final in Berlin in zwei Wochen, aber ich hoffe, ProSieben/Sat.1 hält an dem Format fest: Got to Dance hilft, Tanz in Deutschland weiter zu etablieren, niemand wird gezwungen, dort mitzumachen oder einzuschalten und über irgendwas muss ich ja schreiben.

Veröffentlicht am 21/08/2014 in Backstage, News und mit , , , , , , , , getaggt. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink. Hinterlasse einen Kommentar.

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