Darf ich vorstellen? …Hassan Akkouch
Heute haben wir einen jungen Mann im Interview, der einiges zu erzählen hat. Die meisten kennen ihn sicherlich noch aus „Neukölln Unlimited“. Die Rede ist von dem jungen Berliner Hassan Akkouch. Wir haben die Gelegenheit gehabt mit ihm über seine tänzerische Laufbahn zu sprechen und über sein Leben in München als Schauspieler.
Stell dich doch erstmal vor für die Leute, die dich noch nicht kennen?
Mein Name ist Hassan Akkouch. Ich bin Tänzer (B-Boy) und Schauspieler. Ich bin 1988 im Libanon geboren worden und meine Eltern flüchteten 1990 mit meiner älteren Schwester und mir nach Deutschland. Ich habe eine große Familie und noch fünf weitere Geschwister. Alle machen etwas Künstlerisches. Meine kleinen Brüder Maradona und Mohamed tanzen auch und sind sehr aktiv.
Wie bist du zum Tanzen gekommen?
Schon in jungen Jahren habe ich mir Videoclips von Michael Jackson angeschaut. Ich war bzw. bin immer noch ein großer Fan von ihm, seinem Tanzstil und seiner Musik. Ich habe noch Videos von mir, wo ich mit neun Jahren versuche so wie MJ zu tanzen.
Aber was mich letztendlich zum Break- Dance bzw. Bboying gebracht hat, waren die Flying Steps mit Music Instructor. Ende 2000 hat mein alter Trainer Ivan Stevanovic von der SDC im Kinderclub „Sternschnupper“ und Jugendclub „Feuerwache“ angefangen, Breakdance Unterricht zu geben. Nachdem ich das erste Mal da war, habe ich nicht mehr aufgehört zu tanzen.
Was bedeutet tanzen für dich?
Auch wenn es langweilig oder nicht kreativ klingt: Tanzen ist etwas, wofür ich mich begeistere und was ich liebe.
Ich kann euch nicht mehr sagen, als dass ich es liebe im Tanz Bilder zu erfinden, die mehr beschreiben als ein ganzes Buch. Es ist schon sehr lange so, dass ich mich nicht mehr mit ganz einfachen Shows zufrieden gebe. Ich war immer auf der Suche nach mehr. Durch das Tanzen kann ich tiefgründigere Themen ansprechen und das ist das, was ich schon immer wollte. Ich will kein Tänzer sein, sondern ein Geschichtenerzähler. Tanzen ist nur zufälligerweise das Mittel zum Zweck. Wenn ich mehr malen oder zeichnen könnte als ein Strichmännchen, dann würde ich auch Bilder malen, die beispielsweise gesellschaftliche Probleme ansprechen.
Kannst du dich noch an dein erstes Battle/ Show erinnern?
Mein erster richtiger Auftritt war mit meiner ersten Gruppe „Blazin Breakers“ bei der Eröffnung des Forums Neukölln auf dem Dach der heutigen Neukölln Arkaden. Es war ein sehr heißer Sommer. Zu dem Zeitpunkt war ich 13 Jahre alt und Maradona war da gerade sieben Jahre. Detlef D! Soost hatte uns gebucht und DJ OGB sorgte an dem Tag für die Musik auf der riesigen Bühne. Ich erinnere mich noch sehr gut daran, es gab Essen und Trinken für die Künstler. Wir stürzten uns auf die ganzen Vorräte und steckten uns bestimmt mehr als die Hälfte davon in unsere Taschen. Wenn man uns beobachtet hätte, hätte man gedacht, dass wir noch nie zuvor Essen gesehen hätten. Der Auftritt lief perfekt und das Publikum war mehr als begeistert.
Du hast auch lange mit dem Tanzen viel Geld verdient. Vergeht einem die Leidenschaft, wenn man sein Hobby zum Beruf macht?
Erst einmal ist es keine Leidenschaft. Das Wort Leidenschaft ist ein negatives Wort, weil das Tanzen für mich keine „Leiden schafft“, sondern das genaue Gegenteil ist.
Es ist oft, aber nicht immer der Fall, dass man seine Begeisterung für etwas verliert, sobald man es zum Beruf macht. Mein Interesse Geld durch Tanzauftritte zu verdienen ist gesunken, aber mein Verlangen ein anerkannter Künstler zu werden, ist gestiegen.
Ich habe wirklich schon viel Geld mit dem Tanzen verdient und auch gut davon leben können. Egal ob im Zirkus Magnifico oder mit der Gruppe Fanatix.
Wenn man so viel zu tun hat, dann hat man keine Zeit zu trainieren und die Qualität der Shows sinkt mit der Zeit. Es war nie mein Ziel einfach nur Auftritte zu machen und viel Geld zu verdienen. Mir war schon früh bewusst, dass ich nicht davon leben möchte.
Was war dein schlimmster Tiefpunkt ?
Im Jahr 2007 hat Storm sechs Bboys für ein Tanztheaterstück ausgesucht. Wir haben ein Monat lang mehrmals in der Woche trainiert und uns durch Workshops für das Casting vorbereitet. Am Ende des Monats nannte Storm die Namen der sechs Hauptrollen: Es waren Rainer (damals B Town Allstars), Lou-ease, Abi, Mehdi und Saido aka Bboy Darwin aus Paris und ich.
Am ersten Tag der Probe trainierten Lou-ease, meine Schwester Atura, meine Freundin Hana und ich eine Locking Choreographie mit Storm. Bei einem Move mit den Knien hatte ich das Gefühl, als ob mein Knie rausgesprungen ist. Ganz plötzlich fiel ich zu Boden und hielt mein Knie fest. Alle waren geschockt. Ich wusste nicht was los war, sondern nur, dass es nicht das erste Mal war. Storm fragte mich, was los sei.
Ich sagte einfach nur: „ Das ist schon oft passiert, kein Problem es springt gleich wieder rein, dann kann ich weiter machen“. Er schaute mich verwundert an und beobachtete, wie ich versuchte mit meinen Händen meinen Schienbeinknochen wieder in die richtige Position zu schieben. Nach ungefähr zehn Minuten sagte er zu mir: „Hassan, ich glaube, dein Meniskus ist gerissen.“ Und so war es dann auch. Nach den ganzen Workshops verletzte ich mich beim ersten Probentag so schlimm, dass ich nicht mittanzen konnte. Das war der schlimmste Tiefpunkt für mich.
Du machst gerade eine Schauspielausbildung. Erzähl uns, wie du dazu gekommen bist.
Nachdem ich von meinem Engagement beim Zirkus zurückkam, wurde mir bewusst, dass ich mehr will als nur tanzen. Ich suchte nach einer Projektarbeit, bei der ich flexibel bin, die Chance habe viel Geld zu verdienen, bei der ich gezwungen bin, mich weiter zu entwickeln, zu lesen und trotzdem Künstler bleibe. Ich wollte etwas Intellektuelles. Meine Mutter sagte dann zu mir: „Studiere doch Schauspiel.“ Und wer kennt mich besser, als meine Mutter.
Als ich darüber nachdachte, wurde mir bewusst, dass dies genau das ist, was ich will. Es erfüllte alle meine Kriterien und „Neukölln Unlimited“ war die perfekte Basis dafür. Durch Kontakte wurde ich von einer Agentur zu einem Casting eingeladen. Die Agentur nahm mich auf, obwohl ich der einzige ohne Schauspielausbildung war.
Ich wurde zu Castings geschickt und mein erstes Casting brachte mir eine Rolle in „Verrücktes Blut“, dem erfolgreichsten Theaterstück zu dieser Zeit, ein. Das zweite Casting war für eine ZDF Serie. Ich bekam gleich die Episodenhauptrolle. Später bereitete ich mich auf die Aufnahmeprüfungen für die Schauspielschulen vor.
Die Prüfung sieht folgendermaßen aus:
Man muss insgesamt vier Monologe vorbereiten und ein Gedicht oder ein Lied. Es gibt bei diesen Prüfungen mehrere Runden. Ein Monolog muss klassisch sein, einer modern und einer selbst geschrieben.
Das Finale der Otto Falckenberg Schule für Schauspiel ging drei Tage lang. Morgens musste ich die Prüfungen machen und abends im Ballhaus Naunynstrasse in Kreuzberg „Verrücktes Blut“ spielen.
Nach jeder Prüfung in München musste ich sofort zum Flughafen und nach Berlin fliegen, um die Vorstellung spielen zu können. Am nächsten Morgen nahm ich den 6 Uhr Flieger zurück nach München. Am Ende dieser drei Tage, saß ich nach meiner letzten Vorstellung völlig kraftlos in einem Cafe in der Oranienstraße. Ich bekam einen Anruf aus München um 22.30 und mir war klar, dass es die Schule war, aber ich war mir nicht sicher, ob ich rangehen sollte.
„Hallo, spreche ich mit Hassan Akkouch?“ sagte eine Frauenstimme.
Ich antwortete: „Ja.“
„Hier spricht die Otto Falckenberg Schule. Herzlichen Glückwunsch Herr Akkouch, wenn Sie möchten, können Sie im September Ihre Schauspielausbildung beginnen.“
Ich antwortete nicht, bis Sie mehrmals meinen Namen sagte.
Dann sagte ich: „ Ja, natürlich! Vielen Dank.“
Sie legte auf. Ich saß alleine im Cafe und konnte nicht realisieren, was gerade passiert war.
Es gibt nicht viele Staatliche Hochschulen für Schauspiel. Es sind ungefähr 20 im deutschsprachigen Raum. Jede Hochschule nimmt pro Jahr ungefähr 10 Studenten- fünf weiblich und fünf männlich. Das bedeutet ungefähr 200 Schauspielstudenten im Jahr in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Die FU Berlin nimmt jährlich weit über 300 Studenten im Bereich Jura auf.
Deswegen konnte ich es nicht realisieren bis ich meinen ersten Tag dort hatte.
Was ist das Geheimnis für deinen Erfolg? Für die Situation, in der du dich gerade befindest! Was machst du anders als die Anderen?
Ich weiß nicht, ob ich es anders mache, weil ich nicht weiß, was die anderen machen. Aber wenn ich mich entscheide, etwas zu tun, dann hänge ich mich mit allem rein, was ich habe.
Ich habe mich für diesen neuen Weg entschieden und mit meinem alten Leben abgeschlossen. Ich habe die Gruppe Fanatix verlassen. Obwohl wir erfolgreich waren und bei den Flying Steps ganz oben standen, habe ich die Gruppe verlassen. Ich wollte was anderes.
Als ich nach München gezogen bin, kannte ich nur eine Person in der Stadt. Mir war bewusst , dass ich meine Familie, Freundin und Freunde zurücklassen muss, um alles zu riskieren. Gott sei Dank konnte ich auch alleine Erfolge feiern, was mich natürlich motiviert hat und weiterhin motiviert.
Allgemein kann ich sagen, dass es einige Dinge gibt, die ich beachte, um weiter zu kommen.
Als allererstes braucht man Disziplin. Ich zwinge mich jeden Tag früh aufzustehen, damit ich von Montag bis Samstag pünktlich um neun Uhr in der Schule sein kann, in der ich dann oft bis 22 Uhr bleibe.
Als Zweites braucht man den ständigen Austausch mit anderen Künstlern.
Dabei ist es egal, ob man sich Shows ansieht, die neueste oder unterschiedlichste Musik anhört, ins Theater geht, sich für Bildende Kunst interessiert oder einfach nur miteinander redet.
Ich investiere in mich selbst. Ich bin nicht geizig, wenn es um meine künstlerische Entwicklung geht. Ich nehme Workshops, kaufe Musik, schaue mir Filme an, gehe ins Theater, besuche Konzerte und Veranstaltungen. Nach jedem Event, nach jedem Austausch bin ich ein anderer Mensch.
In der Schule werden wir gezwungen ins Theater zu gehen, weil wir nur so erkennen, was wir lernen und wie es andere Künstler anwenden. Man muss eine Vorstellung von dem bekommen, was möglich ist. Ich erkenne jeden Tag aufs Neue, dass sich Kunst in einer höheren Dimension befindet, als ich mir das vorstellen kann.
Der dritte Punkt ist enorm wichtig: Ich bin fokussiert und verliere meinen Fokus nicht.
Ich habe eine Vorstellung von dem, was ich erreichen will. Der Vater von einem Freund hat mal gesagt: „ Wer nicht weiß, was er werden will, der wird auch nichts.“ Hart, aber wahr. Ich halte mich nicht mit zu großen Zielen auf, denn eins habe ich gelernt: viele kleine Fische sind meist mehr wert als ein großer.
Was denken deine Eltern darüber, dass du etwas Künstlerisches machst? Sie hätten sich sicherlich etwas Anderes gewünscht, oder?
Meine Mutter unterstützt mich bei allem. Meinem Vater hat es am Anfang nicht gefallen, weil ich die Chance hatte eine Pilotenausbildung zu machen, aber heute ist es anders. Beide sind stolz und unterstützen mich.
Hast du dich jetzt komplett aus der Tanzszene zurückgezogen? Könntest du dir vorstellen, wieder zu battlen oder „Straßen-Shows“ zu machen, so wie früher?
Ich mache ab und zu noch Auftritte und warte nur darauf wieder battlen zu können.
Wie ist das Leben in München, wenn man in Neukölln aufgewachsen ist?
Ganz ehrlich, bis jetzt habe ich hier noch nicht gelebt. Ich schlafe hier und gehe zur Schule. Leben ist für mich was anderes.
Am Anfang habe ich mich verloren gefühlt, aber seitdem ich Bboy Sezai (Rock Kidz Crew) kenne, geht es mir besser. Wir wohnen zusammen in der “Büchse der Pandora“, unserer Künstler-WG.
Im Großen und Ganzen gefällt mir München, aber Neukölln ist und bleibt meine Heimat. München ist natürlich eine andere Welt, aber auf jeden Fall schön. Das Erste was mir aufgefallen ist, ist dass es kaum Mülleimer auf den Straßen gibt, es aber trotzdem extrem sauber ist. Neukölln ist das komplette Gegenteil. Als ich zurückkam, ist mir zum ersten Mal aufgefallen, wie dreckig es ist, obwohl überall Mülleimer sind.
Was ist das Besondere für dich an der Schauspielerei? Kannst du deine tänzerischen Erfahrungen zum Vorteil nutzen oder ist es etwas, das man gar nicht miteinander verbinden kann?
Die Schauspielerei zwingt mich immer wieder, mich weiter zu entwickeln.
Was meine tänzerischen Erfahrungen angeht, wurde ich genau aus diesem Grund an der Schasuspielschule angenommen. Ich habe meine Körperbeherrschung genutzt, um einzigartig zu sein bzw. mich von der Masse abzuheben. In dem modernen Monolog „Der Hässliche“ von Marius von Mayenburg, den ich in meinem Vorsprechen vorgespielt habe, tanzte ich eine Gesichtsoperation. Ich wünschte, ich hätte es aufgenommen, um euch einen Einblick in meine Arbeit zu geben.
Was denkst du über die typischen Klischeerollen von Schauspielern mit Migrationshintergrund?
Es kommt nicht nur auf die Rolle an, sondern auf das gesamte Werk. Wenn ich mich mit dem Ergebnis identifizieren kann, dann spiele ich auch Klischeerollen. Klischees sind da, um bedient zu werden. Es gibt viele großartige Filme, die Klischees bedienen. Ein perfektes Beispiel ist der französische Film „Ziemlich Beste Freunde“.
Was würdest du tun, wenn du nicht Künstler wärst?
Ich würde versuchen, Feuerwehrmann zu werden.
Was sind deine Ziele für das Jahr? Was können wir noch erwarten von dir?
Ich habe noch einige wichtige Castings vor mir. Anfang April war ich schon beim „Tatort“ zu sehen und diesen Sonntag bin ich übrigens auf ZDF zu sehen in einer Folge „Verbrechen“ , da spiele ich die Episodenhauptrolle. Schaltet auf jede fall ein um 22 Uhr.
Keepondancin sagt danke für das Interview und wünscht Hassan viel Glück für die bevorstehenden Castings. Weitere Infos über Hassan findet ihr auf seiner Facebook Fanpage. Wir sind gespannt, was ihn in Zukunft noch erwartet und halten euch wie immer auf dem Laufenden. Bis dahin keep on dancin!!!
Veröffentlicht am 18/04/2013 in Darf ich vorstellen?, News und mit Hassan, Hassan Akkouch, München, Neukölln, Streetdance, Unlimited, Urban Dance getaggt. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink. 3 Kommentare.
Zuerst möchte ich mich bei euch „Keep on dancing“ bedanken…..ich finde es toll, dass ihr die Tänzerszene bzw uns einzelne Tänzer vorstellt auch mal Interesse an unserer Persönlichkeit zeigt……was steckt noch hinter dem Tänzer was macht ihn so besonders…….
Zu Hassan: Er ist ein wundervoller Mensch…….ich habe großen Respekt vor ihm, weil er auch ein Kämpfer ist wenn er was will dann bekommt er es auch:-) Ein ehrlicher und direkter Typ der nicht oberflächlich ist……was manchmal leider der Fall ist……..und die Ellenbogenkultur ignoriert er einfach und mach sein Ding……..by Moisha Bodyslang
Danke Moisha 🙂 Das geht runter wie Butter. Ein guter Ansporn, am Ball zu bleiben!!!
#Weltklasse#
#Hast einen neuen Fan erobert#
#AWESOME#